Corps de Ballet - Don’t wish for it, work for it

Ihr Lieben – Ihr ahnt es wahrscheinlich schon irgendwie…. Ich hab’s ein wenig mit dem Tanzen und dem Ballett. Meine Kindheit und Jugend habe ich zum großen Teilen in einem Ballett-Internat verbracht. Man kann auch sagen: Bootcamp.

Von großen Träumen (Paris, mon amour!) getrieben, war mein Alltag durch harte Arbeit, unbeugsame Disziplin und Verzicht geprägt. Wie oft musste ich über meine physischen und psychischen Grenzen hinausgehen. Klar, Spaß hatten wir auch im Internat… manchmal. Jeden Tag 5 Stunden Training, rationierte Mahlzeiten, fast tägliche Auftritte, öffentliche Gewichtskontrollen mit brutalen Sanktionen. Und jeder Absolvent solch einer harten Schule muss sich irgendwann entscheiden, ob er diesen Weg des Drills gehen kann und will. Und natürlich auch: Ist das Talent so unfassbar groß, dass daraus eine große Karriere werden kann? Und was bedeutet es, wenn eine Karriere als Spitzensportler mit spätestens Mitte 30 beendet ist?

Nun - Überraschung: Ich bin in den 90ern nicht im Corps de Ballet von Rudolf Nurejew an der Opéra de Paris gelandet. Und schon gar nicht als seine sog. „étoile“….. J(Übrigens war der wilde und schöne Nurejew eine echte Pop-Ikone des Balletts. Ein Gamechanger. Eine Diva aus dem Buche. Ein Genie. Ein virtuoser Künstler. Ein Charismatiker. Auch ein gern gesehener Gast im Studio 54. Von Frauen und insbesondere Männern verehrt. Ihn auf die Bretter der Weltbühnen zu lassen, war wie der Auftritt einer befreiten Wildkatze. Und wie so oft: die größten Helden sterben jung. Er wurde nur 54…)

Was mir aus dieser Zeit geblieben ist? Mein Respekt, meine Faszination und meine Ehrfurcht vor den professionellen Ballett-Tänzern. Eine unfassbare körperliche und mentale Leistung. Ich verneige mich vor dieser faszinierenden Kunst. Diesem Weg des Verzichts und der ausschließlichen Leistungsbereitschaft. Nachdem diese Vergangenheit lange in den Tiefen meiner Persönlichkeit verschwunden war, ist es Zeit, diesen Teil zurück zu holen. Als stiller Gruß an meine Mit-Elevinnen, an die Kinder, die sich im Drill und Verzicht üben. Die getrieben durch die Hingabe und Leidenschaft des Tanzes auf einen Teil ihrer Kindheit verzichten. Deswegen schreibe ich diese kleine Hommage. Ans „corps de ballet“, an die Primaballerina /-ballerino, an die Liebe zum Tanz. Vielmehr aber an die Bereitschaft einen Traum zu verfolgen und dafür hart zu arbeiten – ganz gleich worum es dabei geht.

Das ist die Essenz meiner damaligen Erfahrung. Sein Herz für Träume zu öffnen, über sich selbst hinauszuwachsen… und am Ende der Reise vielleicht festzustellen, dass die Erfüllung eines Traumes nicht (mehr) der richtige Weg ist.

Heutzutage finde ich meine Vergangenheit selber etwas surreal. Denn wer mich im Hier & Jetzt privat kennt, weiß, wie sehr ich Fünfe mal gerade lassen kann, lässigen Lifestyle liebe, easy-peasy bin und es genieße, mich und andere zu verwöhnen… Verzicht liegt mir so gar nicht (mehr). Vielleicht hole ich meine Jugend etwas verspätet nach, wer weiß. Im Coaching sagt man ja: Was lange genug als Charaktereigenschaft unterdrückt wird, findet früher oder später seinen Weg in die Persönlichkeit. Und das ist meist das krasse Gegenteil. In diesem Fall ein wunderbares Geschenk!

Im Business profitiere ich jedoch heute noch von meinen Wurzeln im Leistungssport: Ich kann mit einer never-ending Energie arbeiten bis zum Umfallen. Wenn ich etwas will, dann kämpfe ich dafür. Mit aller Ausdauer und Disziplin. Ein hard-working girl, was auch streng zu sich sein kann. Bei allem Spaß. Ich liebe es, Teams zu orchestrieren und Talente zu erkennen. Und mir ist bewusst, wie wichtig Team-Play ist. Nur, wenn alle am gleichen Strang ziehen und von derselben Leidenschaft durchzogen sind, läuft’s… Wie beim Ballett. Für diese Erfahrung bin ich unendlich dankbar.

Aber zurück zum Corps de Ballet [kɔʀdəbalɛ]:

Wahrscheinlich kennt jede von Euch den Begriff. Das ist die französische Bezeichnung für die „Einheit, Gruppe im Ballett“, also die Gruppentänzer, die in symmetrischen Gruppen organisiert zusammen mit den Solotänzern das Ballettensemble bilden. Das „klassische“ Corps de Ballet agiert perfekt synchronisiert im Hintergrund der Solisten. Das sind an der Spitze der großen Ballettkompanien die Primaballerina bzw. der Primoballerino oder in Paris die „étoiles“ genannt – klar, die tanzen dann das berühmte Pas de deux…

Tatsächlich gibt es innerhalb des perfekt organisierten, synchronen und disziplinierten Corps de Ballet – die Assoziation mit dem militärischen Korps des 19. Jahrhunderts ist nicht ganz abwegig, ernsthaft!– eine strenge hierarchische Ordnung nach Funktionen. An der Pariser Oper entstanden Begriffe wie die Eleven, Zweite und Erste Quadrille, Koryphäen, petits sujets, grands sujets, premiers danseurs/danseues und an der Spitze des Ensembles die danseuses/danseurs étoiles (=Primaballerina und ihr Gegenpart). Noch Fragen? Bei so viel Ordnung steht man schon freiwillig stramm. Auch unser Internat wurde russisch geführt. Nach Außen entsprachen die 35 auserwählten Eleven in einem Schloss in Schleswig-Holstein dem perfekten Bild eines Schwanensees. Denn, ernsthaft, in unserem Schlossgarten hatten wir einen See – natürlich mit Schwanenpaar! Hinter den Kulissen, im Ballettsaal herrschte militärische Disziplin, unbeugsamer Gehorsam und ein harter Konkurrenzkampf.

Zum Glück wurde irgendwann im moderneren Ballett diese Gleichschaltung und die hochprofessionelle Unterordnung aufgeweicht. Zu anonym und zu wenig künstlerische Individualität. Daher wurde der „Abstand“ zu den Solisten verringert. Die Tänzer sind heute eher gleichgestellt. Was zählt, ist die individuelle Eignung.

Ihr ahnt vielleicht, welch Drill, harte Arbeit und Disziplin hinter jeder Ballettkompanie stehen. Jeder Tänzer schleift bis zum Exzess an seinen Fähigkeiten. Oder vielmehr wird geschliffen. Trainiert bis zum Umfallen. Und auch dann, steht er auf und trainiert weiter. Wird täglich mit seinen persönlichen Grenzen konfrontiert. Geleitet von seiner individuellen Leidenschaft zum Tanz, zur Musik und vom Wunsch, eines Tages aus dem Corps de Ballet auszuscheren und die Chance eines virtuosen Solo-Auftritts zu bekommen. Um seiner Kunst Ausdruck zu verleihen.

Warum man das alles tut? Nun, wer einmal die körperlichen Techniken erlernt hat seine Seele durch seine Physis sprechen zu lassen, versteht diesen Rausch. Diesen Zwang jeden Tag an sich zu arbeiten – nicht um die Beste zu sein, sondern um besser zu sein als gestern. Each and every day.

Einzig dieser krasse Perfektionismus garantiert am Ende die Wirkung des Gesamtbildes auf den großen Bühnen dieser Welt. Und der Zuschauer findet sich in eine andere Dimension versetzt… Atemberaubend. Auf wenig Bereiche passen diese Worte besser als auf das Ballett: Den Erfolg wollen alle, bis sie sehen, was es kostet.

Zu sehen ist eine ätherische Traumwelt. Harmonie in technischer Perfektion. 100% aufeinander abgestimmt. Die hohe Kunst der eleganten Körperbeherrschung. Filigran, elitär und elfenhaft… Eine surreale Leichtigkeit von beinahe schwebenden Körpern.

My beloved ballet-dancers and dreamers all over the world - I take a bow!

3 Kommentare

  • Gänsehaut – was ein Text – ich liebe es Tänzern zuzuschauen und das Gefühl dabei ist nicht in Worte zu fassen

    Lena
  • Was für ein toller Blog-Beitrag!!! Perfekt formuliert was die Schönheit des Balletts ausmacht! Wenn Disziplin zur Leidenschaft wird und die Eleganz von scheinbarer Leichtigkeit in Harmonie mit der Musik den Zuschauer immer wieder verzaubert! 👏👏👏👏

    Petra Lorek
  • Sehr schön geschrieben❤️

    Inken

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